Podiumsdiskussion – das politische Theater






1. April 2019. Am Vormittag liegt den AbiturientInnen im Fach Politik-Wirtschaft eine theoretische Aufgabe zur demokratischen Teilhabe vor, am Nachmittag folgt die praktische Umsetzung in Form einer Podiumsdiskussion zur Europawahl in der vollbesetzten Aula. Im Publikum die Jahrgänge 10, 11 und 12, auf der Bühne diskutieren die AbiturientInnen Merle Möhlmann und David Wellstein mit Jens Nacke (CDU), Tom Schröder (SPD), Jan-Christoph Oetjen (FDP), Steffen Schumann (Die Linke), Viola von Cramon (Die Grünen) und Thorsten Althaus (AfD).

Anhand aktueller Themen wie „Klima und Umwelt“ und „Digitalisierung und Bildung“ sollte der direkte Kontakt zwischen PolitikerInnen und SchülerInnen hergestellt werden. Den ZuschauerInnen bot sich eine interessante und mitreißende Debatte, und die Vielfalt an unterschiedlichen politischen Meinungen sorgte für viele Denkanstöße.

Was zeichnet gute Europäer aus? Mit dieser Einstiegsfrage begann die Diskussion. Interesse, Offenheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, aber auch Schutz, Sicherheit und Zukunftsorientierung – all diese Begriffe fielen von allen Seiten, wurden jedoch sehr unterschiedlich gefüllt, wie sich im späteren Verlauf herausstellte. Die Frage nach der Bedeutung des Klimawandels und den Konsequenzen für die europäische Politik erzeugte gleich in der ersten Runde kontroverse Positionen. Marktwirtschaftliche Instrumente (FDP), Sorge um Arbeitsplatzverluste (SPD), globale Kooperation (CDU), europäische Anpassung der Standards (Grüne) und Nachhaltigkeit (Linke) bildeten zentrale Aspekte. Der Vertreter der AfD stellte die anthropogenen Ursachen in Frage und führte die Überbevölkerung als zentrales Problem ins Feld. Kritische Nachfragen aus dem Publikum bezogen die Initiative Fridays For Future und deren Unterstützung durch 22.000 WissenschaftlerInnen ein. Die Gäste argumentierten auch hier entsprechend ihrer Wahlprogramme und offenbarten deutliche Unterschiede im politischen Spektrum.

In der sich anschließenden Kontroverse zum Umgang mit Flüchtenden in der Europäischen Union betonten die TeilnehmerInnen das individuelle Recht auf Asyl und distanzierten sich entschieden von der Position des AfD-Vertreters, der den rigiden Umgang der australischen Regierung mit Flüchtenden begrüßte.

Anlässlich der breiten öffentlichen Debatte in den Wochen vor der Podiumsdiskussion drängte sich das Thema Digitalisierung und Bildung im weiteren Verlauf förmlich auf. Der Digitalpakt für Schulen und die medienwirksame Auseinandersetzung mit Artikel 13 gaben die Vorlagen für ein Rededuell auf der Bühne. Die Vertreter der CDU und der FDP, Nacke und Oetjen, legten den Fokus auf einen zunehmenden Missbrauch der Freiheit im Netz und zielten auf eine Verhinderung rechtsfreier Räume im Internet ab. Der SPD-Teilnehmer Schröder nannte den Verlust der Privatsphäre als Problem, sah sich aber mit dem positiven Abstimmungsverhalten der SPD-Ministerin Barley im Ministerrat der EU konfrontiert. Alle DiskussionsteilnehmerInnen forderten in diesem Kontext mehr Medienkompetenz und eine verstärkte Einbindung der Jugend in die europäischen Entscheidungsfindungen.

Merle Möhlmann und David Wellstein knüpften abschließend an die Einstiegsfrage an, indem sie die Runde fragten, wie SchülerInnen gute Europäer werden könnten. FDP-Mann Oetjen verwies auf die Bedeutung von Austauschprogrammen für junge Menschen, Schumann (Die Linke) lobte das aktuelle Engagement der Jugend im Rahmen von Artikel 13 und Fridays For Future, AfD-Vertreter Althaus wiederholte die Absicht einer grundlegenden Reform der EU. Dem stellte sich der CDU-Vertreter Nacke entschieden entgegen: Er nannte stattdessen gerade die EU als Lösung gegen Nationalismus und Krieg und forderte die Jugend – angesichts des wachsenden Wunsches nach „starken Männern“ in der Politik weltweit – zur Wachsamkeit gegenüber populistischen Extrempositionen auf. Die Teilnehmerin der Grünen, von Cramon, wünschte sich mehr direkte Beteiligung in Europa und verlieh ihrer Hoffnung auf einen Neubeginn politischer Partizipation durch Fridays For Future Ausdruck. Tom Schröder von der SPD lobte die Arbeit der AG Europa des Gymnasiums Westerstede als Vorbereitungsgruppe für die Podiumsdebatte. Hierin sah er ein vorbildliches und engagiertes Beispiel für europäisches Handeln. Merle Möhlmann und David Wellstein, die das Podium durchweg ruhig und kompetent geleitet hatten, griffen diesen Dank auf und beendeten die Veranstaltung.

Im Anschluss an die Diskussion sammelten sich zahlreiche SchülerInnen vor der Tribüne und kamen mit den ParteipolitikerInnen ins Gespräch. Insbesondere die beiden Vertreter von AfD und Linkspartei wurden von vielen Interessierten umringt und stellten sich noch längere Zeit deren Fragen.

Nur einige Wochen zuvor hatte der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne, im Rahmen der Eröffnung des Wissenschaftsforums, auf die enorme Bedeutung der kommenden Europawahl hingewiesen. Auf derselben Bühne in der Aula ist mit dieser Podiumsdiskussion nun ein weiterer Beitrag zu einer kompetenten Entscheidung am 26. Mai geleistet worden. Vielen Dank allen Beteiligten!