Vom Ende des Medienmonopols






Die bisherige Bedeutung traditioneller Medien für die Verbreitung von Informationen und für die Meinungsbildung wird spätestens seit dem Aufstieg des Gratisjournalismus im Internet systematisch zurückgedrängt. Glaubwürdigkeit und Deutungshoheit der klassischen Printmedien als Torwächter zur Wahrheit geraten zunehmend ins Wanken, die mediale Welt, wie es sie bisher gegeben hat, ist im Begriff zu verschwinden. – Ob dies tatsächlich der Fall ist und welche Folgen dies haben könnte, war Thema eines öffentlichen Vortrages, der im Rahmen des Referentenprogramms des Westersteder Wissenschaftsforums am 2. März 2019 stattfand.

„Journalismus in der Krise – zwischen Fake News und Facebook“ war der Titel der Veranstaltung, die in der Mensa der Europaschule Gymnasium Westerstede stattfand. Hans-Ulrich Jörges, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion und heutiger Kolumnist des Stern, ging dabei vor allem auf das Spannungsverhältnis von Wahrheit und Lüge ein, wie es sich u.a. auch in den klassischen Printmedien wiederfinden lasse. Engagiert und wortkräftig auftretend, verdeutlichte er den ca. 120 anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern u.a. am Beispiel der Affäre um den ehemaligen Spiegel-Reporter Claas Relotius in sehr anschaulicher Form, in welcher Weise auch in den Printmedien vermeintliche „Tatsachen“ manipuliert und zum Gegenstand von „Meinungen“ in Form von „Fake News“ werden können, die wiederum sehr verschiedenen Interessen und Leidenschaften entstammen und dazu beitragen, ein bestimmtes Bild von Wirklichkeit zu erzeugen. Weitere Beispiele waren die Affären um die gefälschten Hitler-Tagebücher sowie die Affäre um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, die nach Auffassung des Referenten als Fake News kein Ruhmesblatt für die Seriosität und Objektivität der Printmedien darstellten.

Doch auch die sogenannten Social Media wie Facebook, Twitter oder Instagram betrachtete Hans-Ulrich Jörges sehr kritisch, indem er sie als „asoziale Medien“ bewertete, die als gewinnorientierte Privatunternehmen ihre Angebote nur deshalb kostenlos zur Verfügung stellten, weil sie im Gegenzug Daten über ihre Nutzer erhielten und zu ihren Gunsten ausnutzen könnten. Allgemein wurde deutlich, dass sich die Rolle der alten Medien rasant verändert, und dass sie im Begriff sind, ihre Monopolstellung in der Informationsverbreitung und Meinungsbildung unwiederbringlich zu verlieren. Angetreten mit dem Anspruch, die Welt erklärbar und handhabbar zu machen, habe das Aufkommen des Internets zu der Erkenntnis geführt, dass es nicht nur die eine Welt und Wahrheit, sondern unzählige davon gebe, so Jörges. Die Nutzung von Social Media und Onlinemedien verändere die klassische Rolle des Lesers, da dieser als Empfänger der Botschaft nunmehr selbst zum Sender werden könne. Zugleich steige mit dem Aufkommen und der zunehmenden Verbreitung der Onlinemedien die Gefahr, dass sich infolge algorithmischer Strukturen der Social Media Filtereffekte der Informationsverarbeitung bildeten („Echolotkammern“), welche die Entstehung von Fake News und Verschwörungstheorien enorm begünstigten und damit einen weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit und Autorität bewirken würden. Jörges' Blick auf die Zukunft der Printmedien erwies sich insgesamt als ein pessimistischer: „In gut zwanzig Jahren“, so Jörges, „wird es das Printmedium als traditionelles Medium nicht mehr geben!“

Der 1951 geborene Hans-Ulrich Jörges ist einer der bekanntesten deutschen Journalisten. Von 2007 bis 2017 war er Mitglied der Chefredaktion der Illustrierten „Stern“ und Chefredakteur für Sonderaufgaben des Verlags Gruner + Jahr. Jörges war Initiator der Europäischen Charta für Pressefreiheit und zusammen mit Guido Knopp Begründer des Zeitzeugenprojekts „Gedächtnis der Nation“, das seit 2011 besteht. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er seither bekannt durch seine wöchentliche Kolumne „Zwischenruf“, in der er aktuelle politische Ereignisse kommentiert. Daneben ist er bis heute gern gesehener Gast in zahlreichen Talkshows zu politischen Themen.