„Flucht ohne Ende“ – renommierter Migrationsexperte spricht im Rahmen des Westersteder Wissenschaftsforums am Gymnasium





Dass Wanderungsbewegungen seit jeher fester Bestandteil menschlichen Lebens sind, ist inzwischen wohl unumstritten. Neben vielen Formen freiwilliger Migration sind dabei insbesondere Flucht, Vertreibung und Deportation Spezifika, die in Vergangenheit, Gegenwart und wohl auch Zukunft die Geschichte der Menschheit mitbestimmten und weiter prägen werden.

Zu einer Vortragsveranstaltung im Rahmen des Wissenschaftsforums hatte die Europaschule Gymnasium Westerstede am Donnerstagabend in die Aula geladen. Henning Kratsch als Schulleiter des Gymnasiums sowie Dr. Daniel Osewold als Organisator des Westersteder Wissenschaftsforums zeigten sich erfreut, mit Jochen Oltmer einen der führenden Experten des Landes im Bereich der Migrationsforschung begrüßen zu können.

Oltmer, Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück, warf in seinen Ausführungen insbesondere einen Blick auf die Bedingungen, Formen und Folgen gewaltbedingter Migration sowie auf die Hintergründe dieser Prozesse.

Inhaltlich fundiert, launig und sprachlich prägnant präsentierte der Historiker die vielschichtigen Bereiche der Migrationsforschung. Ausgehend von vielfältigen freiwilligen Formen der Migration, etwa zur Verwirklichung vermeintlich besserer Lebenschancen (z.B. Auswanderer in die USA; Bildungs- oder Arbeitsmigranten) schlug der Historiker einen Bogen vom 20. Jahrhundert als Jahrhundert der Flüchtlinge hin zu aktuellen Herausforderungen etwa mit Blick auf die Zufluchtsbewegungen aus der Ukraine. Auch wenn natürlich jede Epoche ihre Eigenheiten hat, wurden die großen Linien und vergleichbaren Muster gewaltbedingter Migration in Europa doch allzu gut deutlich. Des Weiteren skizzierte Oltmer die immer wiederkehrenden Debatten, die in Deutschland und Europa über die Aufnahme und Nichtaufnahme von Schutzsuchenden geführt werden: Hier plädierte er für einen kritischen, reflektierten Umgang insbesondere mit Begriffen, Bildern und Debatten.

Da Migration als Konstante historischer Geschehnisse seit Jahren auch fester Bestandteil der niedersächsischen Lehrpläne im Fach Geschichte in der gymnasialen Oberstufe ist, hatte sich Professor Oltmer bereit erklärt, schon am Nachmittag mit Schülerinnen und Schülern der Geschichtskurse im Jahrgang 12 ins Gespräch zu kommen. Insbesondere mit Blick auf aktuelle Unterrichtsthemen wie „die Völkerwanderung“ wurden die Chancen und Grenzen der Anwendung heutiger Theorien und Konzepte auf Phänomene der alten Geschichte diskutiert. Hier zeigte sich der Historiker nicht nur als kenntnisreicher Gesprächspartner, sondern es gelang ihm zudem, die Schülerinnen und Schüler immer wieder auch für die eigentlichen Zielsetzungen des Faches Geschichte zu sensibilisieren: kritischer, reflektierter Umgang mit Informationen, Begrifflichkeiten und Konzepten sowie daraus resultierende Urteilsfähigkeit. Es sind ebendiese Fertigkeiten, derer es gerade in der heutigen Informationsgesellschaft mehr denn je bedarf.