Tage der Talente 2022: Der Poetry Slam

Im Rahmen der Tage der Talente, die am 4. und 5. November 2022 im Gymnasium Westerstede stattgefunden haben, trafen Schülerinnen aus verschiedenen Jahrgängen aufeinander, um zusammen viele kreative Poetry Slams zu verfassen. In der gleichnamigen AG, die von Frau Arlt geleitet wurde, konnten wir einen tollen Einblick ins kreative Schreiben bekommen. Die fertigen Texte wurden am Folgetag sogar Interessierten vorgestellt und eine Jury kürte die besten drei Texte mit einer Urkunde. Die drei Gewinnerinnen sind Emma Benz (1. Platz), Amelie Klein (2. Platz) und Franka Schliep (3. Platz), die alle den neunten Jahrgang besuchen.


Emma Benz: Hubert

Mit Hubert komme ich gut aus. Hubert macht mir keine Angst. Ich kann mich auf ihn verlassen. Er bleibt, wo er ist. Hubert wohnt in meinem Zimmer. Genauer gesagt eine Armlänge neben meinem Kopfkissen. Hubert ist eine Spinne.

Wenn ich abends so im Bett liege und mich einsam fühle, wie das ja so manchmal ist, schaue ich mir Hubert an und fühle mich mit ihm verbunden. Wie er da alleine in seiner Ecke hängt, erinnert er mich an mich. Dabei wird er ja gemocht, von mir, er weiß es nur nicht. Obwohl ich es ihm sage. Er hängt neben dem Bild meines kleinen Bruders. Dieser ärgert mich oft. Hubert tut das nicht. Wenn ich in der Nacht aufwache, weil mir so viele Dinge durch den Kopf gehen, sehe ich Hubert neben mir, wie er da ganz lässig hängt, und die Probleme erscheinen mir plötzlich kleiner. Er lässt sich von nichts aus der Ruhe bringen, nicht mal, wenn mein Bruder ausrastet, weil er bei Fortnite gestorben ist und der Boden bebt. Ich wünschte, ich wäre Hubert. Hubert hat einen kleinen Körper und längere Beine. Er hat acht Augen wie jede Spinne. Wenn ich so darüber nachdenke, eigentlich ziemlich gruselig, aber es macht mir nichts aus. Das klingt jetzt, als wäre ich ein Spinnenfan, was ich keineswegs bin. Ich bin nur ein Hubert-Fan. Um ehrlich zu sein, machen mir Spinnen ziemlich viel aus. Vor allem die großen. Die großen Spinnen sind eigentlich wie Hubert, nur in groß.

Und die großen Dinge machen mir Angst.

Letztens wollte ich mir aus meinem Klamottenberg in meinem Zimmer den schwarzen Sweatshirt-Pulli holen, als plötzlich eine fette Spinne daraus hervorkletterte. Sie krabbelte aus dem Pulli raus und auf dem Boden entlang. Ich habe alle Sachen in Nähe der Spinne weggeräumt, weil ich immer sehen muss, wo die Dinge sind, die mir Angst bereiten. Ich wollte mir gerade ein benutztes Glas holen (von denen ich ja viele in meinem Zimmer horte, genau perfekt für diesen Einsatz), um die Spinne einzufangen, als diese unter meinen Schrank kroch. Dann habe ich mir doch einen anderen Pulli genommen.

Jetzt lebe ich im Ungewissen. Ich weiß nicht, wo sie ist in meinem Zimmer. Bei Hubert weiß ich das immer.

Auf Hubert kann ich mich verlassen.

Ich wünschte, ich könnte mit den großen Spinnen so souverän umgehen wie mit Hubert.

Ich wünschte, mir würden die großen Dinge so wenig Angst machen wie die Kleinen.


Hier gibt’s den Siegertext und vier weitere Texte: Poetry Slam 2023.