Anfang September 2024 hatten wir als Mitglieder der Initiative „Gegen das Vergessen“ die großartige Gelegenheit, auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Susanne Menge für einige Tage nach Berlin zu reisen. Gemeinsam mit anderen politisch Interessierten verbrachten wir vier ereignisreiche Tage in Berlin, die uns spannende Einblicke in die deutsche Politik und Geschichte boten.
Wie konnten wir teilnehmen?
Es gab eine Ausschreibung für den Preis „Freiheit, Demokratie und Respekt“ und wir haben ihn zusammen mit dem Debattierclub der Liebfrauenschule Oldenburg gewonnen.
Die Initiative „Gegen das Vergessen“
Die Initiative „Gegen das Vergessen“ ist eine Gruppe engagierter Jugendlicher aus Westerstede und Umgebung, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Westerstede wachzuhalten. Besonders wichtig ist uns dabei der jährliche Gedenkgang anlässlich der Reichspogromnacht, der am 9. November in Westerstede stattfindet. Jugendliche, die sich aktiv mit unserer Geschichte auseinandersetzen und zur Erinnerungskultur beitragen möchten, sind herzlich eingeladen, bei uns dabei zu sein. Unsere Initiative lebt vom Mitmachen.
Was war die Reichspogromnacht?
Die Reichspogromnacht, beschönigend auch als „Kristallnacht“ oder „Novemberpogrome“ bekannt, fand am 9. November 1938 statt. An diesem Tag wurden in ganz Deutschland Synagogen niedergebrannt, jüdische Geschäfte zerstört und viele jüdische Menschen misshandelt und ermordet. Auch in Westerstede gab es antisemitische Gewaltakte, deren Opfer bis heute im Bewusstsein der Stadt präsent bleiben müssen. Die Reichspogromnacht markiert die erste Eskalation der systematischen Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, weshalb sie ein bedeutendes Datum in der Erinnerungskultur ist.
Nationalsozialismus in Westerstede
Auch in Westerstede hinterließ der Nationalsozialismus tiefe Spuren. Wie in vielen anderen Städten übernahm die NSDAP bereits in den 1930er Jahren die Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben. Jüdische Gruppen wurden unterdrückt, die antisemitische Ideologie verbreitete sich zunehmend. Besonders erschütternd war die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, welche auch in Westerstede nicht verschont blieb. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden jüdische Geschäfte zerstört und jüdische Mitbürger misshandelt. Ein bekannter Fall ist die Familie Meyer, deren Geschäft in Westerstede zerstört und die später deportiert und ermordet wurde. Westerstede war eine kleine Gemeinde, in der die jüdischen Familien vorher fest in die Gemeinschaft integriert gewesen waren. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs dauerte es Jahrzehnte, ehe eine offizielle Auseinandersetzung mit der Zeit in Westerstede begann.
Der Gedenkgang in Westerstede
Seit mehreren Jahren organisiert die Initiative „Gegen das Vergessen“ am 9. November den Gedenkgang in Westerstede. Hierbei gehen wir Stationen des jüdischen Lebens in Westerstede ab, um an die Opfer der Reichspogromnacht zu erinnern und die historische Verantwortung zu verdeutlichen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen und gemeinsam ein starkes Zeichen gegen das Vergessen und gegen Rassismus und Nationalismus zu setzen. Außerdem unterstützt die Initiative erinnerungskulturelle Aktionen, z.B. im Stadtarchiv oder durch Zeitzeugeninterviews.
Die Berlinfahrt
Bereits am ersten Abend nach unserer Ankunft wurden wir in einem Bus durch die Stadt gefahren. Diese kleine Stadtrundfahrt verschaffte uns einen ersten Eindruck von der Vielseitigkeit Berlins. Die eindrucksvollen Bauwerke, die pulsierende Atmosphäre und die Mischung aus Geschichte und Moderne prägten unsere erste Begegnung mit der Hauptstadt.
Das Programm der Reise begann mit einem Höhepunkt: Bei einem Besuch im Deutschen Bundestag hatten wir die Möglichkeit, einen Vortrag über die Aufgaben des Parlaments zu hören. Der Plenarsaal, in dem zentrale politische Entscheidungen für unser Land getroffen werden, beeindruckte uns tief. Besonders spannend war die anschließende Diskussion mit Susanne Menge MdB, in der wir unsere Fragen zu aktuellen politischen Themen stellen konnten und Einblicke in den Alltag einer Bundestagsabgeordneten erhielten. Nach diesem informativen Vormittag wurde uns ein Mittagessen in der Landesvertretung Niedersachsens serviert, bei dem wir uns in angenehmer Atmosphäre weiter austauschen konnten und etwas über die Interessenvertretung unserer Region in Berlin erfuhren. Der Nachmittag bot uns eine Stadtführung, bei der wir Berlins politische und historische Schauplätze genauer unter die Lupe nahmen. Wir schlossen den Tag mit einem Gespräch im Paul-Löbe-Haus ab, bei dem wir Arnd Grewer treffen konnten, der uns die schwierige Aufgabe der Koordination einer Koalition näher erläuterte.
Ein Ausflug in die jüngere deutsche Geschichte schloss sich an: Eine Führung durch die Dauerausstellung „Alltag in der DDR“ im Museum in der Kulturbrauerei ermöglichte es uns, die Lebensrealitäten in der ehemaligen DDR besser zu verstehen. Anhand der vielen ausgestellten Originalgegenstände und Schilderungen konnten wir uns das Leben zwischen Anpassung und Widerstand in der DDR gut vorstellen. Anschließend besuchten wir das ZDF-Hauptstadtstudio, wo wir mehr über die Arbeit der Journalisten und die Medienberichterstattung direkt aus Berlin erfuhren. Nach einer Stärkung beim Mittagessen öffnete uns das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die Türen für ein spannendes Informationsgespräch, in dem es um die Nachhaltigkeit und speziell um nukleare Sicherheit ging.
Bei einem Besuch im jüdischen Museum erhielten wir hilfreiche Impulse für die Gestaltung der Erinnerungskultur und für unseren Gedenkgang. Die darauffolgenden Eindrücke aus dem Bendlerblock, in dem nicht nur das Verteidigungsministerium, sondern auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand untergebracht ist, bestätigten die Teilnehmenden schließlich in der Überzeugung ihrer erinnerungskulturellen Arbeit in der Initiative.
Willst du auch mitwirken?
Bist du interessiert an Geschichte und möchtest dich aktiv für eine lebendige Erinnerungskultur einsetzen? Dann komm zu uns in die Initiative „Gegen das Vergessen“! Der Jugendbeirat der Stadt Westerstede oder die Schülervertretung im Gymnasium Westerstede sind die Organisationen, die du direkt ansprechen kannst.
Besonders freuen wir uns über viele Teilnehmende am 9. November – komm mit deinen Freundinnen und Freunden und deiner Familie und setze ein Zeichen gegen das Vergessen und gegen Rassismus.